Betriebsausflug

Berge aus weißem Gold

In Berchtesgaden wird seit mehr als 500 Jahren Salz abgebaut. Besucherinnen und Besucher können das zwölf Grad kalte Bergwerk mit einem Bergmann hautnah erleben. Während der einstündigen Führung erwarten sie leuchtende Mineralien und eine Floßfahrt auf dem Spiegelsee.

Eine Rutsche führt in die Salzkathedrale. Wer sich nicht traut, geht zu Fuß.

Eine Rutsche führt in die Salzkathedrale. Wer sich nicht traut, geht zu Fuß.

Foto: © Moritz Küstner

Der Weg ins Salzbergwerk Berchtesgaden führt nach oben. Ratternd erklimmt die Grubenbahn gemächlich den 650 Meter langen Anstieg. Die Gäste auf den Sitzwagen fahren durch einen engen, spärlich beleuchteten Schacht direkt ins 15 Meter höher gelegene ­Besucherbergwerk.

Vorn auf der Lok sitzt Andreas Neumayer. Er trägt eine schwarze Uniform. Auf seiner Mütze prangen golden der Schlägel und das Eisen – das Erkennungszeichen der Bergleute. Der 39-Jährige fährt in vierter Generation unter Tage. Bereits als Kind besuchte er mit seinem Vater den Stollen. „Für mich war immer klar, dass ich auch Bergmann werden will“, sagt er heute.

Neumayer, fester Händedruck, donnerndes Lachen, arbeitet seit 2007 unter Tage, genauer gesagt 60 Meter unter der Talsohle. Hier, im ältesten aktiven Salzbergwerk Deutschlands, bauen er und seine rund sechzig Kollegen das Mineral ab.


Besucherbergwerk: eine magische Welt unter Tage


Knapp 60 Meter weiter oben liegt das Besucherbergwerk. Es gehört zu den meistbesuchten Attraktionen in der Region. Jedes Jahr kommen knapp 400.000 Besucherinnen und Besucher. Die Beliebtheit rührt auch daher, dass Neumayer und die anderen aktiven Bergmänner im Wechsel einen Teil der Gruppen höchstpersönlich durch den ­Stollen führen.

Der erste Stopp auf der Reise unter Tage: die Salzkathedrale. Von einem Plateau aus schauen die Besucherinnen und Besucher auf ein turnhallengroßes Becken. Vor 150 Jahren wurde hier mit dem „nassen Abbau“ Salz gewonnen: Bergleute leiteten in das sogenannte Sinkwerk Wasser bis zur Decke; unter Tage spricht man vom Himmel. Das Mineral löste sich aus dem Gestein, aus dem Wasser entstand Sole. Die Lösung floss aufgrund der höheren Lage des Beckens über Rohre Richtung Grubeneingang.

Eine Million Kubikmeter Sole

Noch heute arbeiten die Bergleute mit dem „nassen Abbau“. Allerdings braucht es nun Pumpen, um eine Million Kubikmeter Sole pro Jahr aus der tiefer gelegenen Strecke ans Tageslicht zu befördern. Die Lösung wird dann über Rohre in die rund 20 Kilometer entfernte Saline nach Bad Reichenhall transportiert. Dort wird sie erhitzt, bis das Wasser verdampft ist. Übrig bleibt Alpensalz, etwa 300.000 Tonnen pro Jahr. In Deutschland ist Bad Reichenhaller mit Abstand Marktführer für Speisesalz. Neumayer ist stolz darauf, dass es die bekannte gelb-blaue Verpackung mit der Raute sogar mit japanischen Schriftzeichen gibt.

Salzbergwerk


Kilometerbreite Salzschicht

Vom Plateau geht es jetzt über eine Holzrutsche hinunter ins stillgelegte Sinkwerk. Neumayer führt zu einer Plexiglasscheibe am Boden. Darunter ist ein schwarzes Loch, Überbleibsel einer 156 Meter tiefen Probebohrung. „An einer anderen Stelle hat man 750 Meter unter Tage immer noch Salz gefunden“, sagt der Bergmann.

Zu verdanken ist der Salzreichtum dem urzeitlichen Meer, das die Fläche der heutigen Alpen bedeckte. Es verdunstete und hinterließ eine kilometerbreite Mineralienschicht. Diese wurde mit dem Auffalten des Gebirges tief in den Berg eingeschlossen. „In unser Salz haben die Dinosaurier gespuckt“, sagt ­Neumayer lachend.

Die Region ist tief mit dem Bergbau verwurzelt. Bereits im zwölften Jahrhundert wurde nachweislich in Berchtesgaden Salz gewonnen, 1517 fällt mit dem Anschlagen des Petersberg-Stollens der Startschuss für das heutige Bergwerk. Die umliegenden Städte werden reich damit: Salz war früher sehr wertvoll – daher auch der Beiname „weißes Gold“.

Bis zur Privatisierung Anfang der 1990er-Jahre gehörten das Bergwerk und die Reichenhaller Saline dem Freistaat Bayern. Heute ist die Südwestdeutsche Salzwerke AG die Betreiberin. Mit rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berchtesgaden ist das Unternehmen der größte Arbeitgeber vor Ort. Mehrheitlichen Aktienbesitz haben das Land Baden-Württemberg und die Stadt Heilbronn, wo die AG ein zweites Bergwerk betreibt und seit mehr als 125 Jahren Steinsalz abbaut.

Die milden Temperaturen im vergangenen Winter setzten der Bilanz zu, weil weniger Auftausalz benötigt wurde. Hinzu kamen höhere Kosten für Energie und Transport. Einen ordentlichen Gewinn erwirtschaftete die Südwestdeutsche Salzwerke AG trotzdem und investiert auch am Standort Berchtesgaden in den kommenden Jahren kräftig.

Magische Bergwelt

Die Tour im Besucherbergwerk führt nun vorbei an einer rötlich erleuchteten Salzsteingrotte und weiter zu einem bläulichen Ungetüm: der Fräsmaschine. Früher wurde mit Pickel, später mit dem Presslufthammer der Streckenvortrieb bewältigt. Heute bahnen sich zwei rotierende Schneideköpfe den Weg durch den Berg. Knapp sechs Meter schafft die Maschine am Tag.

Körperlich anstrengend ist der Bergbau aber nach wie vor. Loses Gestein entfernen die Bergmänner immer noch per Hand. „Viele Leute sehen bei der Führung zum ersten Mal, wie aufwendig und anstrengend der Salzabbau ist“, sagt Neumayer. „Das überrascht sie, denn im Laden kostet die Packung ja nur wenige Cent.“

Andreas Neumayer, Bergmann

Andreas Neumayer
Foto: © Moritz Küstner

„Man taucht ein in eine komplett andere Welt.“


Über eine zweite Rutsche geht es zum Höhepunkt der Besichtigung, dem Spiegelsee. Den Namen trägt das Gewässer, weil die glasklare, unbewegte Oberfläche die Decke des Stollens reflektiert. Strahler beleuchten einzelne schroffe Gesteinsformationen an der Seite.

Wellen kräuseln sich, sobald man das im Wasser liegende Floß betritt. Eine funkelnde Bergwelt entsteht während der Überfahrt zum gegenüberliegenden Ufer. Für Neumayer ist es diese Magie, die ihn jeden Tag aufs Neue unter Tage fahren lässt: „Man taucht in eine komplett andere Welt ein.“

Enger Zusammenhalt unter Tage

Dazu kommt der „kameradschaftliche Zusammenhalt“ der Mannschaft, wie er sagt. „Allein ist man unter Tage nichts. Man muss sich zu 100 Prozent auf den anderen verlassen können.“ Hinzu kommt der Glauben. Jeden Morgen vor Schichtbeginn betet die gesamte Mannschaft miteinander.

Von der Verbundenheit zeugt nicht zuletzt die IGBCE. Fast alle 60 Bergleute in Berchtesgaden sind Mitglied der Gewerkschaft. „Wenn jemand neu bei uns anfängt, fragen wir ihn gleich, ob er beitreten möchte. Allein wegen der Lohnverhandlungen ist das sehr wichtig“, sagt Neumayer, der seit 2007 bei der IGBCE ist und mittlerweile den Betriebsratsvorsitz am ­Standort innehat.

Der Bergmann führt die Gäste zum Schrägaufzug, wo die Tour unter Tage endet. Es geht 23 Meter aufwärts und mit der Grubenbahn hinaus. Am gegenüberliegenden Gleis fahren die nächsten ­Besucherinnen und Besucher ins Bergwerk ein. Alle Waggons sind voll besetzt.

Guide: Salzbergwerk

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