Ratgeber Arbeit

Wie viel Meinung ist erlaubt?

Ob Krieg in der Ukraine, Konflikt in Nahost, Klimaprotest oder Zuwanderung: Auch im Büro und in der Werkshalle treffen verschiedene politische Meinungen aufeinander. Wie weit geht die Meinungsfreiheit? Was ist erlaubt, wann drohen Konsequenzen? Profil hat die Antworten.

Ein T‑Shirt mit fremdenfeindlichen Botschaften, eine Rundmail zum Demo-Aufruf, ein Post bei Facebook: Politische Statements am Arbeitsplatz können schnell unter Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit Vorgesetzten zu Konflikten führen. Doch wie viel Meinung ist im Job eigentlich erlaubt? Wo sind die Grenzen?

„Die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit gilt selbstverständlich auch am Arbeitsplatz“, sagt Peter Voigt. Allerdings schränkt der Leiter der Abteilung Justiziariat / Rechtspolitik / Rechtsschutz bei der IGBCE ein: „Das darf nicht auf Kosten des Betriebsfriedens gehen.“ Ganz im Interesse des Arbeitgebers – schließlich sei nur so gewährleistet, dass die Beschäftigten konfliktfrei und produktiv zusammenarbeiten. „Zum anderen hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht, die einschließt, dass gezielte Provokationen unterlassen ­werden.“

Arbeitgeber bestimmt Außenwirkung

Die Außenwirkung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: „Die politischen Statements dürfen dem jeweiligen Unternehmen nicht schaden“, erklärt der Jurist. So könne der Arbeitgeber beispielsweise Länderflaggen in Diensträumen untersagen, wenn die damit verbundene Botschaft seine Kundschaft oder Teile der Belegschaft verletzen würde. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen also akzeptieren, wenn das Unternehmen bestimmte Geschäftsbeziehungen pflegt oder abbricht“, sagt Voigt. „Sie müssen aber nicht politisch die Meinung ihres Chefs oder ihrer Chefin übernehmen – und sie auch nicht nach außen als ihre eigene darstellen.“ Darf der Arbeitgeber überhaupt nach Gesinnungen der Beschäftigten fragen? „Fragen darf er“, sagt der Experte, „aber es geht ihn nichts an!“

„In den sozialen Medien dürfen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich politisch äußern, solange die Äußerungen nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Allerdings besteht bei Karriereportalen wie Xing oder Linkedin häufig eine nachvollziehbare Verbindung zum entsprechenden Arbeitgeber“, sagt Voigt. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gelte natürlich – jedoch könne, sobald ein Bezug zum Arbeitgeber herzustellen ist, auch hier der Betriebsfrieden gestört werden, und vor allem dürfe der Arbeitgeber auf diese Weise nicht mit einer (partei-)politischen Ansicht in Verbindung gebracht werden.

„Auch dienstliche E‑Mail-Konten gehören dem Arbeitgeber – ohne Absprache dürfen diese Adressen nicht für Spenden- oder Demo-­Aufrufe genutzt werden.“ Selbst ein Whatsapp-Chat könne berufliche Folgen haben. So wurde 2023 einer Gruppe befreundeter Arbeitskollegen fristlos gekündigt, die sich beleidigend, rassistisch und sexistisch über Arbeitskolleginnen und -kollegen sowie Vorgesetzte geäußert hatte (Az.: 2 AZR 17/23).

Politische Äußerungen an der falschen Stelle können also arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. „Denn überschreiten die Beschäftigten bestimmte Grenzen, darf der Arbeitgeber sie abmahnen und ihnen im Wiederholungsfall gegebenenfalls sogar kündigen – bei schweren Verstößen unter Umständen sogar ohne vorherige Abmahnung fristlos“, weiß Voigt. „Bei rassistischen oder antisemitischen Beleidigungen sind sogar fristlose Kündigung gerechtfertigt.“

Neutralitätsgebot für Betriebsräte

Wichtig zu wissen: Für Betriebsratsmitglieder gelten besondere Vorschriften. „Laut Betriebsverfassungsgesetz müssen sie jede parteipolitische Betätigung am Arbeitsplatz unterlassen“, sagt Voigt. Das betreffe nicht nur das Werben für eine bestimmte Partei. „Auch bei Veranstaltungen wie etwa Betriebsversammlungen dürfen sich Betriebsrätinnen und Betriebsräte nicht politisch äußern.“ Nach dem Betriebsverfassungsgesetz Paragraf 74 Absatz 2 gelte hier das Neutralitätsgebot, erklärt der Fachmann und verweist auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1982, bei dem sogar das Tragen einer Anti-Atomkraft-Plakette als eine politische Betätigung gewertet und untersagt wurde.

Voigt fasst zusammen: „Politische Statements am Arbeitsplatz müssen immer im konkreten Zusammenhang gesehen werden“, so der Experte. „Meinungsäußerungen sind grundsätzlich erlaubt.“ Mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen müsse man nur rechnen, wenn die politische Äußerung dem Ansehen oder dem Betriebsfrieden des Unternehmens schadet. „Wer innerhalb des demokratischen Meinungsspektrums bleibt, hat in der Regel nichts zu befürchten.“


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