Equal Pay Day

Bundesfrauenministerin Lisa Paus bei 50Hertz

„Was verdient die Frau? Wirtschaftliche Unabhängigkeit!“ Der Titel dieses DGB-Projekts ist unmissverständlich. Zum Equal Pay Day am 6. März organisierten die DGB-Akteurinnen mit Unterstützung der IGBCE den Besuch der Bundesfrauenministerin Lisa Paus in der 50Hertz-Zentrale in Berlin. Gute Beispiele für mehr Gleichstellung am Arbeitsplatz beim Übertragungsnetzbetreiber kamen auf den Tisch – und das DGB-Projekt läutete einen neuen eigenen Schwerpunkt ein. 50Hertz unterzeichnete außerdem die „Erklärung gegen Sexismus“. 

Lisa Paus mit DGB-Projekt und Catherine Schwarz

Bundesfrauenministerin Lisa Paus (links) mit DGB-Projektbeteiligten und 50Hertz-Betriebsrätin Catherine Schwarz (Zweite von rechts)

Foto: © Manfred M. Vogel

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, benannte gleich zu Beginn des Gesprächs einen Schwerpunkt ihrer Arbeit in dieser Legislaturperiode, die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie der Europäischen Union.

„Mein Ziel ist, dass wir die europäische Entgelttransparenzrichtlinie in Deutschland noch in dieser Legislaturperiode in nationales Recht umsetzen. Die Transparenzinstrumente des nationalen Entgeltgesetztransparenzgesetzes gelten nicht für alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Deutschland – das Gesetz blieb hinter seinen Erwartungen zurück!“ so die Bundesfrauenministerin Lisa Paus.

Denn während aktuell eine Berichtspflicht nur für bestimmte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gilt, verpflichtet die EU-Richtlinie zukünftig alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit mehr als 100 Beschäftigten Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu erheben und zu veröffentlichen. Die ersten Unternehmen müssen schon 2027 berichten. Bei ungerechtfertigten Lohnunterschieden müssen sie Abhilfe schaffen. Zudem stärkt die EU-Richtlinie die Auskunftsrechte von Beschäftigten und Arbeitssuchenden und es wird für Beschäftigte leichter werden, ihren Anspruch auf gleiches Entgelt auch gerichtlich durchzusetzen.

Tarifvertrag als zentraler Anker für echte Gleichstellung

Bei 50Hertz greift das deutsche Entgelttransparenzgesetz – und das Unternehmen tut viel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vor allem ist der Übertragungsnetzbetreiber tarifgebunden – was eine entscheidende Grundlage für Entgeltgerechtigkeit und gute Arbeitsbedingungen ist. Oliver Heinrich ist Tarifvorstand der IGBCE und verantwortet im geschäftsführenden Hauptvorstand der Gewerkschaft auch den Bereich Frauen und Diversity. Er nahm am Austausch mit der Bundesministerin teil: „In der chemischen Industrie haben wir es beispielsweise geschafft, dass der Gender Pay Gap in den tarifgebundenen Betrieben bei nur 6 Prozent liegt – während er im deutschlandweiten Schnitt bei 18 Prozent stagniert.“ Oliver Heinrich verweist darauf, dass bei 50Hertz die Gleichstellung seit Jahren ein selbstverständlicher Bestandteil der Personalstrategie ist und auch mit Unterstützung der IGBCE fest in den Zukunftszielen des Unternehmens verankert wurde. Und er bemerkt: „Als IGBCE freuen wir uns, dass das Frauennetzwerk bei 50Hertz, welches wir vor Jahren mit unserem Projekt fe:m.m.e. initiiert haben, nach wie vor aktiv ist.“

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Oliver Heinrich , im IGBCE-Vorstand unter anderem für den Bereich Frauen und Diversity verantwortlich

Foto: © Manfred M. Vogel

DGB-Projekt nimmt betriebliche Rahmenbedingungen in den Blick

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack benannte, weshalb Unternehmen aus eigenem Interesse die Gleichstellung am Arbeitsplatz fördern sollten: „Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten!“ Das vom Bundesfamilienministerium geförderte DGB-Projekt „Was verdient die Frau?“ unterstützt seit 2014 Frauen und insbesondere junge Frauen in finanzieller Eigenständigkeit. Die DGB-Akteurinnen decken auf, dass auf dem Weg viele strukturelle Hürden liegen. Und sie fordern für die Frauen: Mehr Geld, Zeit und Respekt!

Mehr Entgeltgleichheit: Denn auch privat anmutende Entscheidungen werden oft aus wirtschaftlichen Gründen getroffen, zum Beispiel bei Eltern mit Kindern die Frage, wer für die Familie beruflich kürzertritt.

Flexible Arbeitszeiten: Denn Frauen übernehmen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Sorge- und Care-Arbeit.

Respekt: Denn veraltete Rollenbilder, Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz erschweren Frauen immer wieder den beruflichen Aufstieg.

Mit dem Besuch bei 50Hertz startet das DGB-Projekt einen neuen Schwerpunkt und nimmt fortan verstärkt die betrieblichen Rahmenbedingungen für mehr Gleichstellung in den Blick. Eine Toolbox mit Best-Practice-Beispielen wird künftig auf den digitalen Projektkanälen bereitstehen.

Bei 50Hertz gab es reichlich Gelegenheit, gute Beispiele einzusammeln. Was dabei auf den ersten Blick nicht auffällt: Die Grundlage hat in vielen Fällen die Energiegewerkschaft IGBCE mit ihren Tarifverträgen geschaffen. So sind im Manteltarifvertrag das Jahresarbeitszeitkonto als Voraussetzung für flexible wöchentliche Arbeitszeiten und das Langzeitkonto geregelt. In einer zentralen Betriebsvereinbarung zur Förderung und zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit haben IGBCE und Betriebsrat zudem erreicht, dass das Unternehmen die Einzahlung von Zeitguthaben ins Langzeitkonto fördert.

Best Practice in Sachen Gleichstellung bei 50Hertz

Catherine Schwarz, studierte Betriebswirtschafterin und Betriebsrätin bei 50Hertz, arbeitet im Front Office als Stromhändlerin. Über den direkten Zugang zur Energiebörse sorgt sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen durch den Handel mit Strom dafür, dass die Netze stabil bleiben. Eine Arbeit rund um die Uhr – und dennoch schafft sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihre zwei Kinder hat sie bekommen, als sie bereits beim Übertragungsnetzbetreiber arbeitete. Catherine Schwarz: „Mir persönlich kommt die Schichtarbeit sogar entgegen. Die Frühschicht endet um 14 Uhr. Da habe ich am Nachmittag Zeit für unsere Kinder und ebenso, wenn ich Nachtschicht habe. Am Wochenende arbeiten wir 12 Stunden am Stück, was ich als Vorteil sehe, weil dann nicht so viele Wochenenden mit Arbeit belegt sind und ich mehr Freizeitausgleich bekomme. Wenn ich Reserveschichten habe, die es bei uns im Stromhandel auch gibt, kann ich sogar auch die flexiblen Arbeitszeiten nutzen.“

Bei der Geburt ihres ersten Kindes war für Catherine Schwarz die betriebsnahe Kita ein großer Pluspunkt: „Ich musste mir keine Sorgen um einen Kita-Platz machen. Und die Einrichtung hat einen sehr guten Betreuungsschlüssel.“

Betriebsrätin Maja Maecker hat ihre Elternzeit für ihren 6-jährigen Sohn aus eigener Kraft finanziert. Die verschiedenen Bausteine dafür: 15 Stunden in der Woche Erwerbsarbeit, 15 Stunden Finanzierung aus dem Langzeitkonto – und der Rest durch die Unterstützung aus dem Elterngelt Plus. Wichtig für so ein Modell ist der rechtzeitige Aufbau von Guthaben im Langzeitkonto, betont Maja Maecker – und berät fortan andere Beschäftigte dabei.

Betriebsrätin Maja Maecker

50Hertz-Betriebsrätin Maja Maecker

Foto: © Manfred M. Vogel

50Hertz: Frauen als ein Schlüssel zur Sicherung des Fachkräftebedarfs

Personalleiterin Lisa Besler gab Einblick in einige Zahlen und Fakten zur Gleichstellung im Unternehmen. Zwar erscheine eine Frauenquote in der Belegschaft von 25 Prozent auf den ersten Blick als nicht viel, aber mit Blick auf die technische Ausrichtung vieler Stellen in der Energiebranche und die Anzahl der Absolventinnen in MINT-Studiengängen sei 50Hertz hier im Vergleich gut aufgestellt. Und der Übertragungsnetzbetreiber ergreife viele Initiativen, um Frauen für die Arbeitsplätze in den MINT-Berufen zu begeistern und sie dauerhaft zu halten.

Freiheiten bei der Gestaltung der eigenen Arbeitszeit gehören zu den zentralen personalpolitischen Instrumenten bei 50Hertz, zum Beispiel die Gleitzeit zwischen 6 und 20 Uhr, außerdem die Möglichkeit für Sabbatical-Vereinbarungen. Und der Übertragungsnetzbetreiber nimmt auch im Recruiting den weiblichen Blick ein, wenn „Systemingenieurinnen (w/m/d)“ gesucht werden. Das komme gut an, sagt Lisa Besler, auch bei den jungen Männern, die es genauso schätzen, wenn sich ein Unternehmen fortschrittlich aufstellt.

Wenn das statistische Bundesamt feststellen muss, dass deutschlandweit 66 Prozent aller Mütter in Teilzeit arbeiten, kann Lisa Besler für 50Hertz ein anderes Bild zeichnen: 67 Prozent der Mütter mit Kindern unter 18 Jahren arbeiten hier in Vollzeit. Insgesamt haben rund 40 Prozent aller Beschäftigten Kinder unter 18 Jahren. Und die Belegschaft wird immer jünger. Die stetig steigenden Personalzahlen haben dazu geführt, dass sich das Durchschnittsalter in den letzten drei Jahren um mehrere Jahre reduziert hat und nun bei 41 Jahren liegt.

50Hertz neuer Partner im Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“

CEO Stefan Kaperer und Frauenministerin Lisa Paus

 50Hertz-CEO Stefan Kaperer und Frauenministerin Lisa Paus

Foto: © Manfred M. Vogel

Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz, unterzeichnete im Beisein von Bundesfrauenministerin Lisa Paus die „Erklärung gegen Sexismus“. 50Hertz wird damit Partner im Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“, das im Februar 2023 von Lisa Paus gegründet wurde und dessen Schirmherrschaft sie übernommen hat.

Mit der Unterzeichnung ist die Bundesministerin nach eigenem Bekunden einen Schritt weiter bei ihrem Ziel, bis Ende 2025 tausend Unternehmen und Organisationen in das Bündnis hinein zu holen. Lisa Paus appellierte in Richtung der 50Hertz-Geschäftsführung, die Maßnahmen für mehr Gleichstellung sowie für eine geschlechtersensible Unternehmenskultur und damit gegen Sexismus im Betrieb weiter auszubauen.

Weitere Informationen

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Foto: © IGBCE/Markus Köpp
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