Forderungsempfehlung mit Maß und Mitte

Oliver Heinrich
Foto: © Stefan Koch

„Attraktive Entwicklung und Sicherheit für unsere Mitglieder auch in stürmischen Zeiten“: Unter dieses Motto hat der Hauptvorstand der IGBCE die Forderungsempfehlung zur Chemie-Tarifrunde 2024 gestellt. Die Kernpunkte: 

  • Die Erhöhung der Einkommen und Ausbildungsvergütungen für unsere Mitglieder, die bei Berücksichtigung der weiterhin hohen Inflation eine nachhaltige Reallohnentwicklung im Fokus hat. Den Rahmen für die Forderung sieht der Hauptvorstand bei 6 %-7 %. 

  • Tarifliche Regelungen für besseren Schutz und Arbeitsplatzsicherheit für unsere Mitglieder.  

  • Modernisierung des Bundesentgelttarifvertrages, um attraktive Entwicklungsmöglichkeiten für unsere Mitglieder zu schaffen.  

Dies ist eine Forderungsempfehlung mit Maß und Mitte. Sie überfordert auf Unternehmensseite niemanden – aber hilft auf Belegschaftsseite vielen. Es ist gelungen, zweierlei einzupreisen: die in Teilbereichen der Industrie schwierige wirtschaftliche Lage ebenso wie die spürbaren Reallohnverluste der Beschäftigten. Wir wollen den Menschen den Optimismus zurückbringen und die Binnennachfrage stärken. Das hilft nicht nur unseren Mitgliedern, sondern auch dem Wirtschaftsstandort. 

Diese Empfehlung wird aktuell breit unter den Belegschaften der gut 1700 Betriebe der chemisch-pharmazeutischen Industrie diskutiert. Jede und jeder hat eine Meinung dazu – so soll es sein. Demokratische Beteiligung unserer Mitglieder ist uns wichtig. Das ist Gewerkschaft. Ab Mitte März werden die regionalen Tarifkommissionen ihre Forderungen beschließen, bevor am 10. April die Bundestarifkommission die endgültige Forderung aufstellt. 

Die Ausgangssituation dieser Tarifrunde ist differenziert wie lange nicht. Zwar befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer leichten Rezession, von einem allgemeinen Wirtschaftseinbruch, vergleichbar zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 oder zur Corona-Pandemie 2020, kann jedoch keine Rede sein. Die Energiepreiskrise hat sich ein Stück weit abgeschwächt. Sowohl die Strom- als auch die Erdgaspreise haben sich von ihren jeweiligen Höchstständen entfernt. Nichtsdestotrotz ist die Belastung im Vergleich zu 2019 weiterhin beträchtlich, insbesondere für die energieintensiven Industriebereiche.  

Für das Gesamtjahr rechnet die Bundesregierung mit einem leichten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent. Die Konjunktur im Euroraum stabilisiert sich weiterhin.  Auch das private Konsumverhalten zeigt Stabilisierungsbewegungen. Dazu tragen die langsam sinkenden Inflationsraten sowie steigende Einkommen der Beschäftigten bei. Durch Wegfall der Inflationsausgleichsprämien droht der private Konsum jedoch wieder einzubrechen, wenn die Reallöhne nicht weiter zulegen. Mit einem Anstieg der Reallöhne sollte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2024 wieder auf moderates Wachstum schwenken können. 

Für die Beschäftigten haben die letzten zwei Jahre aufgrund der hohen Inflation zu einem Reallohnverlust geführt. Die Inflationsausgleichsprämie hat hier zunächst für einen Entlastung gesorgt, wirkt aber nicht nachhaltig, so dass eine reale Einkommensentwicklung für unsere Mitglieder für die Tarifrunde 2024 im Vordergrund steht. 

Transformation, Digitalisierung, Energiewende und globale Krisen verändern im rasanten Tempo unsere Wirtschaft und unsere Arbeitswelt. Das führt zu steigender Verunsicherung bei den Beschäftigten. Das Sicherheitsversprechen unserer Tarifverträge steht auf dem Prüfstand und muss erneuert und gefestigt werden. Ohne starke Tarifvertragsparteien wird uns das nicht gelingen.  

Mit dem Tarifabschluss 2022 haben die Tarifvertragsparteien vereinbart, tarifliche Regelungen zur Stärkung der Tarifbindung zu entwickeln. Hier müssen die Arbeitgeber jetzt liefern. Eine Differenzierungsregelung ist überfällig. Daher muss eine Tarifeinigung eine Regelung zur Besserstellung unserer Mitglieder sicherstellen.   

Die Veränderungen in der Arbeitswelt führen auch dazu, dass neue Jobs entstehen und teilweise anspruchsvollere Tätigkeiten mit sich bringen. Der Bundesentgelttarifvertrag und die ergänzenden Entgelttarifverträge müssen fit für die neue Zeit gemacht werden. Dazu gehören eine einheitliche, attraktive Umgruppierungsregelung, die Harmonisierung der KTM-Tabellen, attraktive Entwicklungsmöglichkeiten für die unteren und mittleren Entgeltgruppen, aktuelle Entgeltgruppenbeschreibungen und die Ausweitung des persönlichen Geltungsbereichs.   

Die Arbeitgeber sollten sich hüten, eine ganze Branche in die Krise zu reden. Schwierig ist die Lage allein in den energieintensiven Industrien, die Geschäfte der Pharma- oder Konsumgüterindustrie beispielsweise laufen glänzend. Die Quote der Unternehmen, die krisenbedingt von Öffnungsklauseln Gebrauch macht, liegt weit unter fünf Prozent. Eine allumfassende Krise sieht anders aus. Wir haben eine bodenständige Forderung vorgelegt – jetzt erwarten wir auch Realitätssinn vom Sozialpartner. 

Klar ist: Wir stehen vor schwierigen Verhandlungen. Es braucht jetzt ein Signal der Geschlossenheit aus den betrieblichen Diskussionen – und ein noch breiteres gewerkschaftliches Engagement. Gehe gern auf die Kolleginnen und Kollegen zu, die heute noch kein IGBCE-Mitglied sind, und werbe für unsere Gemeinschaft. Das stärkt nicht nur unsere Verhandlungsposition, sondern am Ende auch Stellung jeder und jedes Einzelnen im Unternehmen. 

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