Konngressbeginn
Foto: © Helge Krückeberg

Kongress ist gestartet 

Am Sonntag wurde der 7. Ordentliche Gewerkschafskongress der IG BCE eröffnet. Mit dabei waren viele Ehrengäste, unter anderem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sowie der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Den Überraschungsauftritt des Tages hatte die Kölner Band Brings, die eigens ein Lied für die IG BCE geschrieben hat.  

Am Ende steht der ganze Saal und klatscht frenetisch: Gerade hat die Kölner Band Brings ihren brandneuen IG-BCE-Song „Unser Zuhaus“ gespielt und genau den Nerv des Publikums getroffen. „Ja, es gibt eine Studioversion, und ja, ihr bekommt sie“, beruhigt Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE, die 400 Delegierten im Kuppelsaal des Hannover Congress Centrum (HCC). Einen Satz fügt Vassiliadis unter dem begeisterten Applaus noch an: „Jetzt ist unser Kongress offiziell eröffnet.“ 

Michael Vassiliadis mit den Musikern der Band Brings.

Michael Vassiliadis mit den Musikern der Band Brings.

Foto: © Helge Krückeberg

Die Freude darüber war groß – auch, weil lange unsicher war, ob der 7. Ordentliche Gewerkschaftskongress angesichts der Corona-Pandemie überhaupt in Präsenz stattfinden kann. Die allermeisten der Delegiertenkonferenzen im Vorfeld des Kongresses mussten digital abgehalten werden, wie Ralf Sikorski, Vize-Vorsitzender der IG BCE, in seiner Eröffnungsrede in Erinnerung rief. „Unser Ziel war es, dass die 400 Delegierten am Kongress teilnehmen können. Das ist uns gelungen“, sagte er. „Ist es nicht schön, dass wir wieder alle beieinander sein können.“ Vor den Delegierten läge nun „eine arbeitsintensive und politisch anspruchsvolle Woche“. Es müssten in den kommenden vier Tagen mehr als 450 Anträge beraten und beschlossen werden. „Das ist die Basis für die Ausrichtung unserer Politik in den kommenden vier Jahren.“ 

Hochkarätige Gäste 

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärte mit einem Augenzwinkern, der Gewerkschaftskongress der IG BCE sei mittlerweile „Teil des Biorhythmus“ der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. „Wir wissen mittlerweile: Immer wenn Bundestagwahl war, tagt bald danach die IG BCE“, spielte er auf die aktuellen Koalitionsverhandlungen in Berlin an, die wie schon 2017 parallel zum Kongress abgehalten werden. Er betonte: „Wir sind der festen Überzeugung: Ein starker Sozialstaat braucht starke Gewerkschaften.“ In der Corona-Pandemie habe sich genauso wie in der Finanzkrise vor über zehn Jahren gezeigt: „Wir brauchen die Industrie, ohne Industrie geht es nicht.“ Der anstehende Transformationsprozess sei eine schwierige Aufgabe und große Herausforderung. Allerdings gehe es nicht mehr um das „Ob der Energiewende, sondern um das Wie“, so Weil. Klar sei: „Deindustrialisierung ist keine Option für unser Land.“ Begeistert äußerte sich der Landesvater zudem über das Leitmotiv des Kongresses: „Mit.Mut.Machen – was für ein tolles Motto.“  

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, der ebenfalls bei der Eröffnungsfeier sprach, appellierte in seiner Rede an die möglichen Koalitionspartner in Berlin: „Damit die Transformation der Wirtschaft erfolgreich und sozial gerecht gestaltet werden kann, muss sich die nächste Bundesregierung für eine höhere Tarifbindung und eine Stärkung der Mitbestimmung einsetzen.“ Gewerkschaften würden mit Betriebs- und Personalräten Verantwortung übernehmen – das hätten sie zuletzt erneut während der Corona-Pandemie bewiesen. Auch er mahnte mit Blick auf die anstehenden Transformationsprozesse: „Die Schuldenbremse darf in unserem Land keine Investitionsbremse werden. Eine grüne Null ist mit einer schwarzen Null nur schlecht zu meistern.“ 

Forderungen an eine neue Bundesregierung

Auch IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis sandte in seiner Eröffnungsrede eine Botschaft Richtung Berlin: „Wir gehen davon aus, dass die neue Bundesregierung massiv in einen erfolgreichen Strukturwandel investieren wird. Das ist eine zentrale Voraussetzung, damit auch die Unternehmen den Sprung in das neue industrielle Zeitalter schaffen.“ Die Transformation dürfe nicht auf Kosten der Belegschaften gehen, sondern verlange nach einer fairen Verteilung der Kosten. Mehr denn je komme es darauf an, dass es „gerecht und solidarisch zugeht“, sagte er. Die Beschäftigungsperspektiven der Menschen müssten bei allen Entscheidungen einer künftigen Regierung „nicht nur mitgedacht werden, sondern ein Leitmotiv sein“. Vassiliadis betonte: „Die Verpflichtung zu zukunftsgerechten Lösungen muss eindeutiger Bestandteil eines neuen, sozial verantwortlichen Transformationskodex sein.“ So erwarte die IG BCE, „dass niemand transformationsbedingt arbeitslos wird. Niemand darf ins Bergfreie fallen.“ Gerade während der Corona-Krise hätte sich gezeigt, wie wichtig gestaltungsstarke Gewerkschaften und Belegschaftsvertretungen seien. „Deutschland wäre niemals so vergleichsweise gut durch die Pandemie kommen ohne uns“, so Vassiliadis. „Soziale Sicherheit, Gerechtigkeit und Stabilität, Respekt gibt es nur mit einer starken Gewerkschaft, nur mit uns.“  

Er hob hervor, dass „keine unserer Branchen von dieser Transformation unberührt“ bleibe. Die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben würden die Dynamik des Wandels bereits spüren, sie hätten „viele konkrete Fragen, die genauso konkrete politische Antworten erfordern“ – etwa, woher der Strom herkommen solle, wenn Deutschland schneller aus den fossilen Energien aussteigen wolle und zeitgleich der Ausbau der Erneuerbaren stocke.  Er freue sich, dass am Mittwoch Gelegenheit sei, direkt von Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Christian Lindner, den führenden Verhandlern bei den Koalitionsgesprächen, zu hören, welche Akzente sie in einer Ampelkoalition setzen wollen. „Ausgehend von dem Ergebnis der Sondierungen sieht die IG BCE eine Chance für eine neue politische Agenda.“  

Vassiliadis warf zudem einen Blick auf das Programm der kommenden Tage: „Wir werden Themen diskutieren, die für die Arbeits- und Lebenschancen unserer Mitglieder und der Beschäftigten in unseren Branchen von zentraler Bedeutung sind. Wir werden unsere IG BCE so aufstellen, dass wir auch unter veränderten Bedingungen handlungsfähig bleiben und an Schlagkraft gewinnen.“ Den Delegierten komme dabei „die wichtigste Rolle“ zu: In den Abstimmungen zu den Anträgen über die Antworten entscheiden, „die wir für das Jahrzehnt der Transformation und für die Zeit über 2030 hinaus bereithalten“. Sie seien dabei getragen von den Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, von Vertrauensleuten, Orts- und Personengruppen – und dem Kongress-Motto „Mit.Mut.Machen“. „Das ist unsere Haltung. Das ist unsere Qualität.“  


Unser Zuhaus' - die IG BCE

Haltung – das zeigte auch die Band Brings, die bei der Eröffnung zunächst zwei Arbeiterlieder von Bert Brecht spielten, das Einheitsfront-Lied sowie das Solidaritätslied. Höhepunkt des Auftritts war der extra für den IG-BCE-Kongress komponierte Song „Unser Zuhaus“, schon ab der zweiten Strophe hielt es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Im Gespräch mit Vassiliadis verriet Bandmitglied Stephan Brings, selbst gelernter Chemikant und Mitglied der IG BCE, dass sich das Lied vor allem an die Beschäftigten in den Betrieben richten sollte – diese seien häuft in Branchen tätig, die die nur selten gesellschaftliche Anerkennung für ihre oft körperlich anstrengende und kräftezehrende Arbeit bekommen würden. „Aber ohne uns geht hier das Licht aus. Denn jeder trägt Gummistiefel, braucht mal eine Aspirin oder macht das Licht an“, erklärte er. Und so heißt es auch im Song: „(...) immer wenn es Dreck macht, immer wenn es stinkt (...) was alle brauchen und keiner will, was jeder hat, heimlich und still. Dafür steh‘n wir und halten den Kopf dafür hin.“  

Tageszusammenfassung im "Kongress-Journal"

Am Montag wird der Kongress mit den Geschäftsberichten der Hauptvorstandsmitglieder sowie der Grundsatzrede des Vorsitzenden Michael Vassiliadis fortgesetzt.  

Impressionen von der Kongresseröffnung

Mehr zum Song

Mit.Mut.Machen
Erst ins Ohr und dann ins Herz

Die IG BCE hat einen neuen Gewerkschafts-Song. Komponiert wurde „Unser Zuhaus“ von einer der bekanntesten Bands aus dem Köln-Bonner Raum: BRINGS haben ihn auf dem Kongress in Hannover vorgestellt.